Nach einem Wandertag des Stadtturnverein Bern im Jahre 1920 fanden sich ein paar Ausflügler zusammen und musizierten, dass es allen in den Tanzbeinen juckte. Nach einer ersten „Orchesterprobe“ mit einem Klavier, zwei Violinen und dem Dirigenten spielte die Gruppe mehr oder minder regelmässig in verschiedenen Formationen und gründete das Orchester des Stadtturnverein Bern, kurz OSTB. Seit 1921 ist das Orchester eine eigenständige Abteilung des grössten Turnvereins der Schweiz und stellt somit etwas Einmaliges in der Orchesterlandschaft dar. Im Laufe der Jahre vergrösserte sich das Orchester, das vor allem bei Anlässen und Feierlichkeiten des STB spielte und sich dort grosser Beliebtheit erfreute. Das Orchester spielte bald einmal auch eigene Konzerte, die ein immer breiter werdendes Publikum ansprachen. Nach einem Konzert im Jahre 1955 las man folgende Rezension:
"C'est le ton qui fait la musique, wird oft behauptet. Es gibt aber auch einen bildlichen Ton, so, wenn etwa gesagt wird, es gehöre zum guten Ton, an der Côte d'Azur Ferien zu machen, oder ins Theater zu gehen. Neuerdings könnte man auch sagen, es gehöre zum guten Ton, das Konzert des Stadtturner-Orchesters zu besuchen. Dabei schwingt jedoch in diesem Ton kein Snobismus mit, sondern lautere unverdorbene Freude über das Besondere, das 'Unser' Orchester immer wieder zu bieten vermag."
Aus den ersten Jahrzehnten stehen dem OSTB sehr viele Noten zur Verfügung: Tänze, Märsche, Salonmusik und Ouvertüren – das Archiv des Orchesters ist eine richtige Schatztruhe. Früher spielte das OSTB hauptsächlich Unterhaltungsmusik. Heute werden nur noch selten Werke aus den Beständen des Archivs gespielt, teils weil es häufig nur Klavierpartituren oder unvollständige Ausgaben sind, teils aber auch, weil sich die Art der gespielten Musik im Laufe der Jahre verändert hat. Das Repertoire hat sich gewandelt. Gespielt wird eine breite Palette, die vom Barock bis zu zeitgenössischer Musik reicht. Es kam schon vor, dass das OSTB ein von seinem Dirigenten, Stefan Däppen, komponiertes Stück aufführte. Der Dirigent, Stefan Däppen, der seit 1993 als Berufsmusiker vom Orchester angestellt ist, hat für das Orchester schon viele Schätze aus dem Archiv komplettiert oder Partituren erstellt, so dass auch die alten Stücke nicht vergessen gehen.
Das OSTB bietet motivierten Laien eine entspannte Atmosphäre für das gemeinsame Musizieren. Im Laufe der letzten fast 100 Jahren hat sich das Orchester einen festen Platz unter den Liebhaberorchestern erarbeitet. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitspielenden.
Seit Oktober 2019 steht das Orchester unter der Leitung von Orestis Chrysomalis. Orestis Chrysomalis, studierte Klavier an den Hochschulen Bern und Lausanne. Gleichzeitig besuchte er die Kompositionsklasse von Eric Gaudibert in Genf. Anschliessend begann er mit Dirigieren bei Dr. h.c. Ewald Körner in Bern. Unterstützt durch ein Stipendium des österreichischen Staates bildete er sich bei Prof. Leopold Hager an der Musikakademie Wien weiter. Er gewann drei Preise der Kiefer-Hablitzel-Stiftung. Seine Tätigkeit umfasst, nebst dem pianistischen Schaffen, das Dirigieren von Ensembles verschiedener Art und Grösse und die Komposition von Kammermusik bis hin zu Orchesterwerken. Ausserdem unterrichtet er Klavier an der Musikschule Region Jegenstorf und wirkt als Bereichsleiter mit.
Susanna Holliger steht dem OSTB seit 1988 als versierte und engagierte Konzertmeisterin zur Verfügung. Sie studierte in Bern bei Ulrich Lehmann und in London bei György Pauk Violine. Während dreier Jahre war sie Mitglied des Berner Symphonie-Orchesters, danach spielte sie über 30 Jahre lang regelmässig als Zuzügerin mit. Im Frühjahr 2022 hat Susanna ihre Unterrichtstätigkeit an der Musikschule aufgegeben. Durch ihr Mitwirken in der Schulklassen-Kurzfassung von Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ bleibt Susanna der Musikvermittlung an Kinder jedoch treu. Und sie konzertiert weiterhin regelmässig mit dem Colla Parte Streichquartett. Nebst seinen anderen Engagements gestaltet das Ensemble seit der Saison 2020/21 die traditionellen „Sternstunde Oberbalm“-Konzerte. Foto: Lotta Studer.